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Der Anstand

Unsere grundlegenden Wertvorstellungen werden ignoriert. Es gehört sich nicht Menschen zu töten, wenn der Artikel 1 des Grundgesetzes noch irgendetwas gelten soll. Diskutierte die Republik in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch, ob es denn überhaupt eine Armee braucht, sind wir heute soweit, dass nicht nur das nicht mehr in Frage gestellt wird, nein wir wollen wieder Vernichtungsmaschinen einführen. Das ist unanständig insbesondere aus der Perspektive der deutschen Vergangenheit. Die Todesstrafe ist ein Relikt, welches Jean-Jacques Rousseau noch zu begründen versuchte. Doch es gibt keinen anständigen Grund, der diese Form der Strafe rechtfertigt. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind diesbezüglich rückständig. Mord ist unanständig und nur weil sich jemand unanständig verhält, hat der Staat und seine politischen Organe nicht das Recht sich ebenso unanständig zu verhalten. Ob das nun in der Rechtsprechung ist oder im Verteidigungsfall, ein anständiger Staat versucht alle Wege zu gehen um den Anstand zu wahren. Der Anstand ist hier eine Selbstbeschränkung sich nicht auf die Mittel der Unanständigen einzulassen. Das bedeutet nicht mangelnde Entschiedenheit an den Tag zu legen oder auch nur zurückzuweichen, wenn wie im Kossovo oder Syrien jeglicher Anstand aufgegeben wird. Möglicherweise hätte es jeweils schnelleres entschiedeneres Handeln auf internationaler Ebene bedurft, damit die schlimmsten Folgen hätten vermieden werden können. Doch genauso wie es der Nichtwähler unterlässt sich an der gemeinsamen Sache zu beteiligen, so unterlassen es auch Staaten rechtzeitig einzugreifen. Solange sie nicht gestört werden, meinen sie es es alles in Ordnung. Erst wenn es zu spät ist, wird dann letztlich unanständig reagiert, weil die Zeit des Anstandes vorbei ist.
Die Menschenrechte sollten unsere Richtschnur eines anständigen Handelns sein. „Da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet,“ [F]  schreibt sich die UN 1948 in das Stammbuch und nimmt Bezug auf die Barbarei des zweiten Weltkrieges. Doch die Worte alleine scheinen nicht zu helfen, wenn sie nicht mit Leben erfüllt werden. Nach 1948 hat das Töten nicht aufgehört und auch Kriege gab es genug. So wie 1907 das deutsche Reich dem Haager Staatenbund nicht beitraten und er scheiterte, traten die USA nicht dem Völkerbund bei. Schließlich finden wir nach dem zweiten Weltkrieg die vereinten Nationen vor in der alle Großmächte vertreten sind. Doch was nützt es, wenn die wohlfeilen Worte nicht gelebt werden. Sechzig Jahre nach dem Beschluss der Vereinten Nationen sind in keinem Staat dieser Erde die Grundlagen die dort formuliert worden sind umgesetzt. Im Gegenteil das Wort Menschenrecht verkommt in den Sonntagsreden der Berufspolitiker zu einem gern gesehenen Begriff, dessen Inhalt aber nur noch hohl ist. Aber schon Sokrates soll seine Gesellschaft gegeisselt haben, dass Anstand, Sitte und Moral verkommen. Es scheint fast so, als ob die Gräueltaten nur lang genug her sein müssen, dann will keiner mehr die Lehren daraus hören oder sie auch nur befolgen.

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