Alfred Eben ist einer jener bekannten Menschen, die morgens an der U- Bahnhaltestelle stehen und warten, die einfach nur in stoischer Ruhe der Dinge, die da kommen werden, harren können, und anscheinend zum Inventar, von dem man meinte, es gehöre zur Station als wären sie Einrichtungsgegenstände, die dort und nirgendwo anders hingehörten, als sich zu nichts weiter verpflichtend fühlende bis es sich erfüllt hätte wartende Menschen zählten, wobei diese kurzfristig aus ihrer Ruhe, aber auch dann beschränkt sich ihre Handlung auf das Notwendigste, hervortreten, daß heißt, er war eigentlich mehr, denn vollständigerweise hießt er nach seinem Verwaltungsstudium und seiner Doktorarbeit, auf dessen Bestehen er heute noch stolz war, Dr. Alfred Eben, was genau genommen, da seine ganze Betitulierung Regierungsdirektor Dr. Alfred Eben, somit gehörte er nicht zu den kleinen Beamten, der es bedurfte mit der U-Bahn in das Amtsgebäude zu fahren, Regierungsdirektor Dr. Alfred Eben hielt es dennoch für notwendig, obwohl die meisten gleichgestellten Direktoren ihr Fahrzeug nutzten, lautet, für ihn, der wegen dieser Macht der Gewohnheit aus dem Rahmen dieser Kollegen gleicher Ranghöhe, die ihn früher als U-Bahnfahrer belächelten, in dieser oder jener Ecke der Amtsstuben geschah dies sicherlich immer noch, allerdings nahm Dr. Eben nicht die U-Bahn wegen Umweltschutzgründen, fiel, nicht die korrekte Bezeichnung war, auf welcher er durchaus Wert legte, jedoch zollte man ihm heutzutage durch diesen Umweltschutz, der es ihm ermöglichte sich in der Frage, warum er in seiner Position, in der er immerhin fünfhundert Angestellte unter sich hatte, die öffentlichen Verkehrsmittel zur Arbeitsstätte benützte, die er jedoch früher mit dem Achselzucken beantwortet hätte, weil er es eigentlich nicht benennen konnte, schnell aus der Affäre zu ziehen, indem er diesen als Grund angab, was bei dem Fragenden eine gewisse Beschämtheit, wenn derjenige selbst sich erdreistete mit dem Auto in die Arbeit zu fahren und sich als Umweltsünder ertappt sah, auslöste und bei jenen Fragern, die sich keiner Schuld in Umweltfragen bewußt waren, einen Hauch von Bewunderung, was er meist auch entsprechen ausnutzte und ihm wahrscheinlich noch besser gefiel, anscheinend liebte es Dr. Alfred Eben, wenn er sich seinem Gegenüber überlegen fühlte, offen legte, mehr Respekt, gewesen.
Dr. Alfred Eben sei nur so vorgestellt, da sich seine Verwaltung des öffentlichen Rechts durch eine solche schwer zu verfolgende Sprache mit der entsprechenden langatmigen Ausdrucksweise hervorhebt. Dieser Stil im sprachlichen Verwaltungshandeln machte selbst Dr. Eben zu schaffen, wenn er privat einen Bescheid oder eine Mitteilung einer Behörde zugestellt bekam. Es hinderte ihn nicht, genauso verschraubt auszudrücken und junge Anwärter von Anfang an zu jener korrekten, wie er meinte, Sprache zu erziehen. Es erfordert nicht darauf einzugehen, ich meine, daß es für unsere Geschichte uninteressant ist, wo Dr. Alfred Eben arbeitete und was er verwaltete, da in allen Behörden und Ämtern dasselbe geschehen muß, da ein Beamter keine spezialisierte Ausbildung erhält, sondern von ihm erwartet wird, in jeglicher Verwaltung arbeiten zu können, unabhängig davon ob es sich um Menschen oder Dinge oder Sachen handelt. Lediglich die Gesetze, auf die sich der Verwaltungshandelnde stützt, sind unterschiedlich. Ob er jetzt Menschen oder Dinge verwaltet, bleibt wie oben angemerkt unerheblich. Die Menschen bereiteten Menschen vom Schlage eines Alfred Eben nur mehr Verdruß, da sie sich unerhörterweise zur Wehr setzen konnten und in manchen Fällen sogar die Behörde selbst aufsuchten, um mit ihrem Problem vorzusprechen, welches nur dann angenehm war, wenn die Rechtslage ganz und gar eindeutig gewesen war, - dann konnte er seine Macht ausspielen -, oder wenn ausnahmsweise einer dieser Menschen sich für eine Tat eines Beamten bedankte, was leider zu selten vorkam. Glücklicherweise geschah es in seiner Besoldungsgruppe nicht mehr häufig, weil er solche Angelegenheiten delegieren konnte, doch manchmal ließ es sich nicht vermeiden. Die U-Bahn fuhr in die Station ein und unser Herr Regierungsdirektor trat mit seiner Aktentasche unter dem Arm in der sich nicht weiter als seine Brotzeit und eine Zeitung befand in unabdingbarer Handlung an das Gleis heran.
Die darin liegende Perfektion, die er jeden Morgen - fast schlafwandlerisch - aufbrachte, mit wenigen Schritten genau jene Stelle zu treffen, die nach dem Stillstand der Wagen die Tür exakt vor seinen über die Jahre füllig gewordenen Körper halten ließ, sodass er nur noch einzusteigen brauchte und überdies den Vorteil errang, nicht im Gedränge zu stehen, wäre von einem stillen Beobachter bewundert worden, wenn denn einer da war, da doch von Alfred Eben eine den Fahrer, die Geschwindigkeit und Länge des Zuges einzubeziehende Berechnung jeden Tag, den er zur Arbeit fuhr, stattgefunden haben musste. Nachdem er eingestiegen war, suchte er gewöhnlich immer einen gleichen oder ähnlichen Sitzplatz auf, es sei denn ein anderes Individuum hätte ungehörigerweise diesen bereits eingenommen oder es gelüstete ihn stehenzubleiben, was selten vorkam. Zunächst plazierte er seine Aktentasche auf seinen Schoß und entnahm die Zeitung des jeweiligen Tages in seiner ihm gewohnten sorgfältigen Weise. Das Lesen verlief dann fast wie ein Ritual. Zuerst überflog er die Schlagzeilen der Titelseite, ob denn Neuigkeiten zu erkennen seien, die er nicht am vorherigen Abend in den Fernsehnachrichten erfahren hätte, welche er nie versäumte. Manchmal kam es vor. Danach wandte er sich dem Streiflicht zu, die übrige Titelseite las er sonst im Amtszimmer. Der Wirtschaftsteil folgte, wobei er immer hoffte, dass sich die erste Wirtschaftsseite nicht im Innern der Blätter befand, wie es bei der Montagsausgabe zuweilen ereignete. Diese Seite wurde von ihm kurz quergelesen, wobei die Inhalte nur eine oberflächliche Würdigung erhielten. Dann wand er sich nach einem sorgfältigen achtsamen Umblättern dem Kasten über den Börsennotierungen zu, den er sich vergewissernd keines der Seiten beim Umfalten zu knicken, genauestens in sich aufnahm. Sollte eines der Wertpapiere, welche er besaß, in dieser Rubrik mit einer negativen Tendenz vermerkt sein, dann unterbrach er die Lektüre und holte aus der Jacketinnentasche ein kleines Notizbuch, worin er einen Vermerk eintrug, seine Bank anzurufen, doch diese Unterbrechung machte sich rar, da seine Bank gelernt hatte sich vor den Anrufen des Dr. Eben zu schützen. Blieb ihm dann noch Zeit, las er noch Vermischtes aus der Region bis er sein Ziel erreicht hätte. Darüber hinaus kam er nie, da er nach dieser Rubrik seine Aktentasche öffnete, was zumeist schon eine Haltestelle vor seinem Ausstiegspunkt war, und die Ausgabe wieder in ihr Fach zurücklegte, wobei sie sich in einem Zustand befand, den ein Außenstehender für unbenutzt halten musste, wenn jener nicht beobachtet hätte, wie die Zeitung von Dr. Alfred Eben gelesen worden ist. Der Eben fand in der üblichen Art und Weise den Gang zur Tür, die wiederum jeden angesichts der Leibesfülle verwundern musste, weil das Gedränge eigentlich unüberwindlich schien, doch zeigte sich auch hier die unübertreffliche Erfahrung eines Beamten, dem niemand zutrauen würde, dass er nur irgendjemanden einen Schmerz oder auch nur Leid zufügen könnte. Selbst dem Entferntesten wäre klar, es müsse sich um einen harmlosen pflichtgetreuen Beamten handeln, der tausend Jahre lang nur Schäferhunde liebt. Alfred Eben hätte diesem Vorurteil zugestimmt, denn er war sich keiner Schuld bewusst.
So stieg er auch an jenem Tage aus dem Zug wie jeden Tag und erblickte eine Ausnahme. Ihn störten solche Ausnahmen und sie kamen selten vor, jedoch verstand er sie in diesem Fall gut, denn es musste alles seine Ordnung haben. Die Fahrkartenkontrolleure führten ihre Aufgabe zwar selten an den Ausgängen durch und es war ihm in seiner gesamten Dienstzeit nur einmal vorgekommen hier an dieser Stelle überprüft zu werden, wohingegen er im Waggon häufiger gestört worden war, doch blieb die Störung immer ohne Folgen, denn selbstverständlich fuhr er nie ohne gültigen Fahrausweis. Seine Monatskarte besorgte er sich immer am letzten Werktag des Monats für den Darauffolgenden, es sei denn er befände sich an jenem Tag im Urlaub. Nach jener Überraschung, die für einen Außenstehenden kaum merkliches Zögern über das Einbrechen des Stadtbeamten in den Alltag des Regierungsdirektors Dr. Alfred Eben auslöste, schritt er zuversichtlich zum Ausgang. An der Kontrollstelle setzte er seine Aktentasche auf den Boden und reichte dem Beamten die aus der Brieftasche entnommene Monatsfahrkarte. Der junge Mensch betrachtete Dr. Ebens Fahrausweis sorgfältig und gewissenhaft und der Direktor erwartete in jenem Augenblick, dass der freundliche Stadtbedienstete ihm seine Fahrkarte zurückreichte. Doch geschah Unerhörtes und von Alfred nie Erwartetes. Denn es kann nicht sein, was nicht sein darf und der Direktor, der Regierungsdirektor und Verfasser einer Doktorarbeit über korrektes Verwalten jeglicher Staatsangelegenheit, Alfred Eben fragte in seinem ganzen vollem Dasein danach, ob er die Worte und Buchstaben und überhaupt den ganzen Satz des jungen Beamten denn wirklich richtig verstanden hätte und bat damit gleichzeitig um eine nochmalige Überprüfung der Angelegenheit mit der für ihn in diesem Moment einzig wichtigen Frage, ob der Beamte die Wahrheit gesagt hätte.
Sein ganzes Wesen und seine ganze Existenz lag in diesem Moment in den Händen dieses jungen Stadtbeamten und Alfred überlegte, ob er jenen jungen Mann nicht vielleicht sogar mit ausgebildet hätte. Seine ganze Welt schmolz auf jenen Zeitpunkt zusammen und in seinem Körper drückte sich eine Spannung aus, die auf die Antwort wartete, die nur die Antwort sein konnte, dass der Kontrolleur einen Fehler gemacht hätte. In dem Bewusstsein, dass es sich um Dr. Eben handelte, antwortete der junge Beamte in der vollen Macht seiner Amtsausübung und mit dem der Situation entsprechenden Ernst, dass diese Wertmarke vom vorherigen Monat sei und er die Wertmarke von diesem Monat benötigte, um diese Fahrkarte als gültig anzusehen. Regierungsdirektor Dr. Alfred Eben blickte den Beamten zum letzten Mal verständnislos mit glasigen Augen an, um dann plötzlich und unvermutet an einem Herzinfarkt zu versterben, nur weil an einem Achtundzwanzigsten des Monats es bedeuten würde, dass er einen Monat ohne gültigen Fahrausweis zur Arbeit gefahren war und das konnte und durfte einem Dr. Alfred Eben nicht passieren.