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Anpacken statt rumlabern

Der Wahlkampf ist eröffnet. Auf Twitter hat sich der Hashtag #r2g für die Hoffnung auf Rot-Rot-Grün etabliert. Das ist meines Erachtens ein Hirngespinst. SPD, die Linke und die Grünen haben derzeit 320 von 630 Sitzen im Bundestag, das sind 5 Sitze über der Mehrheit.

Würden die derzeit im Bundestag vertretenen Abgeordneten tatsächlich eine Hoffnung haben, mit der Koalition Rot-Rot-Grün eine Zukunft zu sehen, dann könnten sie das sofort umsetzen. Es wird dieses Jahr unter der großen Koalition sowieso nichts mehr wichtiges passieren, weil sowohl SPD als auch CDU sich ihre Wahlkampfchancen nicht verderben wollen. Selbst wenn Gesetze beschlossen würden, die am 1.1.2018 in Kraft treten, dann würden diese der Bestätigung durch den Wähler harren, da nach September 2017 sie wieder gekippt werden könnten.

Sowohl die Linken als auch die Grünen und die SPD ziehen mit der sozialen Gerechtigkeit in den Wahlkampf. Alle drei Parteien wollen damit im Pool der Wähler nach Stimmen fischen und natürlich will man nicht zugeben, dass man nach der Wahl dann doch etwas anderes macht.

Die Grünen wollen sich die Option mit der CDU offenhalten aber selbstverständlich wollen sie sich auch die linken Stimmen sichern und da ist das Spiel mit #r2g ja ganz nett. Nur wenn die Grünen #r2g wirklich wollten, dann könnten sie ja mit den Linken versuchen die SPD zu bewegen. Doch die SPD will gar nicht. Die SPD hat an sozialer Gerechtigkeit möglicherweise noch weniger Interesse als die Grünen. Die Grünen und die SPD haben ja gemeinsam das SGB reformiert und den alten Sozialstaat abgeschafft. Und obwohl seit Jahren bekannt ist und auch schon vor dem Wahlkampf 2013 bekannt war, dass Hartz4 ein krankes System ist und ein AfD-Förderprogramm, sind weder Grüne noch SPD bereit davon abzurücken. Sie müssten sich ja eingestehen, dass sie einen Fehler gemacht haben.

Der Fehler könnte rückgängig gemacht werden und zwar jetzt sofort und heute. Dazu müssten aber alle drei Parteien bereit sein die Kanzlerin zu stürzen. Und ja das hätte das Risiko, dass damit die drei Parteien mit der Politik, die sie bis zum September 2017 machen, zur Wahl stehen und sich stellen müssen. Würden sie keine Politik machen – in den paar Monaten – die dem Bürger gefällt, dann wären sie im Oktober 2017 mit der Koalition am Ende.

Dennoch, wenn man den Machtwechsel wirklich will, dann ist es mehrmals so gemacht worden. So wurde die sozialliberale Koalition abgelöst und davor schon gab es die sogenannte Mendewende. Es wäre für diese Republik nicht ungewöhnlich, wenn ein Machtwechsel so vollzogen würde und danach vom Wähler bestätigt würde.

Da dies aber nicht passiert, obwohl #r2g eine Mehrheit im Bundestag hat, ist Rot-Rot-Grün ein Wahlkampfhirngespinst von SPD, Grünen und Linken die linken Stimmen einzusammeln. Soziale Gerechtigkeit ein schönes Wahlkampfblabla von Martin Schulz und wie jeder Politiker will er sich seine Optionen bewahren. Tatsächlich eine Änderung der Politik ist nicht gewollt, denn diese Änderung ist tatsächlich ab sofort möglich.

Der Kanzler müsste noch nicht einmal im Parlament sitzen, sodaß es sogar möglich ist Martin Schulz jetzt zum Kanzler zu machen. Kiesinger war auch kein Mitglied des deutschen Bundestages und trotzdem Kanzler. Es wäre nicht neu für etablierte Parteien einen Kanzlerkandidaten zu verheizen, der dann kein Kanzler wird. Das hat man mit Scharping so gemacht und auch mit Stoiber oder Franz-Josef Strauß.

Würde die SPD wirklich den Machtwechsel wollen und nicht in eine große Koalition steuern wollen, dann würden die SPD jetzt den Machtwechsel vornehmen. Die Mehrheit dazu ist mit 320 Sitzen vorhanden, wenn denn die Grünen mitspielen würden.

Die Grünen wollen aber den Machtwechsel genauso wenig, denn mit der Koalition in Baden-Württemberg besteht ja der Machtpoker darin mit genügend Stimmen vielleicht als Juniorpartner mit den Konservativen in das Geschäft zu kommen. Aber um eine starke Position zu haben, müssen sie natürlich mit Rot-Rot-Grün ein bisschen spielen um die linken Kräfte ein wenig an sich zu binden. Ein Kindergrundeinkommen scheint da ein schönes Wahlkampfthema wie 2013 die Enquetekommission für ein Grundeinkommen zu sein. Der Wähler erinnert sich ja nie daran, wenn die Grünen nachher ihre Wahlversprechen brechen. Denn die Grünen werden immer noch ein klein wenig als Protestpartei wahrgenommen, obwohl sie das schon sehr lange nicht mehr sind.

Die Linke will auch nicht wirklich, denn sie wird immer vorschützen, dass sie Themen wie Natoaustritt oder sonst irgendetwas absurdes mit dem Koalitionspartner nicht durchsetzen können und deswegen nicht in Regierungsverantwortung gehen konnten. Es lässt sich viel leichter aus der Opposition heraus wettern. Ausserdem lässt sich mit dieser Protesthaltung das linke Demopublikum leichter als Wähler gewinnen. Jetzt heute und sofort plötzlich in Regierungsverantwortung zu sein, würde für die linken den Wahlkampf schwieriger machen. Das Postenkleben der etablierten Linken stellt da tatsächlich ein Risiko dar, denn es könnten gerade vor der Wahl in Regierungsverantwortung die Gefahr bestehen, dass wenn man es nicht gleich in den nächsten Monaten richtig macht, aus dem Bundestag zu fliegen. Das Spielen mit #r2g im Wahlkampf allerdings gefällt da gut, weil es der Linken eine gewisse Seriösität verschafft und sie damit scheinbar wählbarer macht. Tatsächlich wollen die Linken auch nicht.

Mit dem Aufkommen der AfD steht die nächste große Koalition eigentlich schon fest, denn es werden die übrigen Parteien nicht wie jetzt die Mehrheit mehr im Parlament haben, es sei denn sie würden mit der AfD zusammengehen. Würde aber heute jetzt sofort #r2g an die Regierung kommen, dann könnte das Kartenhaus der AfD zusammenfallen insbesondere wenn r2g sofort vernünftige sozial gerechte Politik betriebe. Ja schlimmer noch auch die von mir mitgegründete Partei Bündnis Grundeinkommen könnte obsolet werden und keinerlei Chancen haben, wenn sich die drei Parteien an die Abschaffung von Hartz4 und sonstigen sozialen Ungerechtigkeiten machen würden.

Da ich mir sicher bin, dass SPD, die Grünen und die Linken das aber nicht machen werden, könnte der Wähler statt die Wahlkampflüge #r2g zu wählen, möglicherweise ganz andere Parteien wählen. Da das konservative Stammwählerpotenzial von CDU/CSU/SPD aber groß genug ist um im Zweifel 50 Prozent der Sitze im Parlament zu haben und selbst wenn nicht mit der FDP oder den Grünen vielleicht auch eine Dreierkoalition der Etablierten zur Verfügung steht, wird sich die Politik der GroKo mit Merkel fortsetzen. Die etablierte Politik hat gar kein Interesse daran Merkel zu stürzen, würde sie das wollen, dann würde sie das jetzt tun.

Stellt sich die Frage, ob der dumme Wähler das Spiel mitspielt und trotz den Schrecken die Trump derzeit verbreitet oder nicht gerade deswegen plötzlich ganz anders wählt. Sprich wenn die etablierte Politik so verkrustet ist, dass sie unfähig ist sich zu bewegen, mit radikalen Wahlergebnissen plötzlich etwas ganz anderes serviert bekommt. Der Wähler ist zwar hinterher auch unglücklich, Trump hat es ja geschafft innerhalb von 8 Tagen Amtszeit die US-Bevölkerung gegen sich aufzubringen, was in dieser Rekordzeit kein anderer US-Präsident geschafft hat. Doch Trump ist nicht alleine Schuld, er hat nur eingesammelt, was auf der Straße eh schon vorhanden war.

Die bisherigen Erfolge der AfD zeigen, dass auch das bei uns vorhanden ist. Martin Schulz hat in den bisherigen Talkshowsendungen gezeigt, dass er zwar die zufriedenen Bürger einsammeln kann, aber nicht die Unzufriedenen. Die zufriedenen Bürger sind aber teilweise gar nicht so zufrieden, denn sie kennen die Unzufriedenen auch. Selbst wenn es einem persönlich gut geht, aber auch nur irgendjemand in der Verwandtschaft die ALG-II-Gängelungen erzählt, dann kann man selbst bei Reichen und Wohlhabenden den Spruch hören, dass das ein unmenschliches System ist.

Wenn die Politik taub ist und die Aussagen die Jakob Augstein schon 2011 Ursula von der Leyen vorgehalten hat, einfach ignoriert, dann darf sich die Politik nicht wundern, dass der Wähler abdriftet. Es hat ihm ja auch nichts genutzt #r2g eine Mehrheit im Parlament zu verschaffen. Die WASG hat sich mit der Fusion mit der PDS in Luft aufgelöst, aber auch die WASG war schon eine Bewegung zu sozialer Gerechtigkeit und das Grundproblem hat sich seitdem nicht erledigt. Auch die Piraten wurde von einem Teil dieser wabernden Masse überrannt, die sich tatsächlich um soziale Gerechtigkeit bemühen und bisher gescheitert sind. So wurden die Piraten von den Grundeinkommensbefürwortern geentert und die Datenschützer waren in Chemnitz plötzlich die Minderheit. Tatsächlich denke ich, die Forderung nach einer Enquetekommission im Wahlkampf 2013 von Grünen und Linken entstand auch um die Piraten klein zu halten. War ja auch erfolgreich, die Piraten scheiterten wieder Mal am Bundestag wie ja auch die WASG letztlich scheiterte und nur die PDS reinkam.

Ich kenne Leute die sind tatsächlich von der WASG über die Piraten bei der AfD gelandet um dann nach deren Rechtsruck auch dort auszutreten. Diese Parteihopper die durchaus zwischendurch auch mal in einer etablierten Partei waren, wollen eigentlich nur vertreten sein. Manche von diesen Parteihoppern haben durchaus krude Ansichten, das ist keine Frage. Manche sind auch radikale Veganer zum Beispiel und die Grünen sind denen einfach zu lasch. Welche Steckenpferde sie auch jeweils haben mögen, sie alle haben nicht nur das Gefühl nicht gehört zu werden, sie werden tatsächlich nicht gehört.

Würden sie gehört werden, dann könnten manche Sachen sofort angepackt werden so ist es wie Jakob Augstein es nennt:
blanker Politikzynismus
.

Schulz, Merkel oder von der Leyen sind geübte geschliffene Politiker, die den meisten Bürgern erklären könnnen, warum sie angeblich gut seien. Aber jeder kann sich ja im obigen Video überzeugen, wie die Worte Augsteins ignoriert worden sind. Und Jakob Augstein ist nun wahrlich kein Empfänger von Sozialleistungen. Entweder war Frau von der Leyen taub oder ebenso wie #r2g man nicht will, will man am System gar nichts ändern. Albrechts Tochter ist die zweite Generation einer Elite, die es versteht immer wieder abgesichert in das Parlament zu kommen. Diese Politikergeneration kann auf alles pfeifen, was die Bürger ihnen erzählen, selbst wenn die Hinterbänkler durch ein schlechtes Ergebnis rausfallen, die Volksparteien sind so gut gewählt, dass die Spitze immer und immer wieder reinkommt. Martin Schulz kann es letztlich egal sein, wie die SPD abschneidet, denn erstens ist er durch seine EP-Diäten so abgesichert, das er nicht am Hungertuch leiden wird und zweitens selbst wenn die SPD 10 Prozent bekäme wäre er drin.

Jetzt die Kanzlerin zu stürzen und sofort etwas zu ändern, könnte aber vielleicht doch eine Gefahr darstellen, so werden die Etablierten ticken, selbst wenn die Gefahr vielleicht geringer ist, wie so weiter zu machen. Denn siehe das US-Ergebnis, wenn Höcke Kanzler wird, was ist dann?

Jetzt könnte #r2g möglich sein und jetzt könnte auch einer AfD mit einem Schlag das Wasser abgegraben werden, aber jetzt wird das nicht passieren, jetzt wird die Wahlkampfdreschmaschine angestellt und das Morgen versprochen um das Gestern weiterzuführen.