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Grundgedanken

Meine Grundgedanken zum Grundeinkommen sind philosophisch. Die Philosophie ist hierbei das Werkzeug im verstehen und deuten der Welt und der menschlichen Existenz. Das Grundeinkommen berührt die menschlichen Existenz, das Seien eines jeden Einzelnen in der Welt. Einkommen an sich ist der Zufluss von Leistungen. Wenn ein Säugling an der Mutterbrust saugt, dann fließt die Muttermilch. Wir Säugetiere sind so, wenn dieser Grundzufluss zum Anfang unseres Lebens nicht besteht, dann sind wir nicht mehr. Es gibt nur wenige Lebewesen wie phototrophe Prokaryoten, die auf diesen Zufluss von Leistungen verzichten können und streng genommen noch nicht einmal die, weil der Zufluss in dem Fall durch das Sonnenlicht besteht. Es wäre zu weit ausgeholt die gesamte Evolutionsgeschichte bis zur Affenhorde durchzudeklinieren. Ich halte es aber dennoch für wichtig zu verstehen, dass der Zufluss von Leistungen zum Leben gehört.

Wenn die Nabelschnur den Körper noch ohne eigene Energieaufwand versorgt, so ist die Menschwerdung durch das Saugen an der Mutterbrust der erste Energieaufwand, der geleistet werden muss um nicht zu verhungern. Es zeigt sich aber auch, dass der moderne Mensch weit mehr ist, als die reinen physikalischen und evolutionstechnischen Abhängigkeiten. Ein Frühchen, welches nicht saugen kann, ist nicht zwangsläufig zum Tode verurteilt. Wenn den Menschen wirklich etwas von der Alge oder dem Affen unterscheidet, dann ist es diese kulturgeschichtliche und soziale Entwicklung der letzten 30.000 Jahre. Wenn wir heute von einer komplexen Welt sprechen, dann ist die Welt nicht komplexer als sie es vor 30.000 Jahren gewesen ist. Ich bin mir ganz sicher, dass die physikalischen Gesetze, die wir heute für einen Computer benutzen, auch schon vor 30.000 Jahren gegolten haben.

Jeder der heute irgendetwas „leistet“, kann diese Leistung nur auf Grund dieses kultur- und sozialgeschichtlichen Hintergrunds leisten. Es ist niemals bei keinem von uns also bei keinem einzigen Menschen auf dieser Welt eine Eigenleistung. Es mag durchaus Leistungsunterschiede geben, aber die eigentliche Leistung, von der wir heute profitieren können, wurde über Generationen erbracht. Manche Energien, die wir heutzutage unserer Gesellschaft zuführen, wurde dabei sogar über Jahrmillionen produziert und ihr Ursprung sind dabei dann möglicherweise auch jene phototrophen Prokaryoten. Das Einkommen eines einzelnen Menschen besteht nur aus einem ganz kleinen Teil aus Eigenleistung. Alle leistungsgeilen Protagonisten, die alle Menschen verdammen, die nicht so sind wie sie, sind in Wirklichkeit respektlose Dummköpfe, die weder Demut noch Anstand besitzen geschweige denn ein Geschichtsbewusstsein oder gar eine philosophische Grundbildung.

Tatsächlich ist es leider so, dass unsere Gesellschaft zum größten Teil aus diesen Dummköpfen besteht. Wenn die Politik sich nach der Wirtschaft richtet und gefragt wird, ob sich das rechnet oder ob wir das bezahlen können, dann wird nicht nach dem Wesen der Politik gehandelt, sondern Dummköpfen gefolgt, die es selber nicht wissen. Der Zweck des Wirtschaftens ist nicht der Zweck des Wirtschaftens oder die Ökonomie ist kein Selbstzweck. Tatsächlich ist ein Geldzufluss wertlos, wenn es einfach nur ein Geldzufluss ist. Mancher Börsenhype der vergangenen Jahre mutete aber gerade dazu an, dass Zweck des Wirtschaftens nur noch ist, die Summe der Gelder zu erhöhen. Börsenmanager, die nach diesem Prinzip immer höhere Einkommen erzielten, indem sie Wetten auf Derivate abschlossen, erzielen im eigentlichen Sinne gar kein Einkommen mehr. Da es sich aber um Geldzufluss handelt, wird es als Einkommen bezeichnet.

Ein Grundproblem dabei ist sicherlich auch, dass wir bis heute keine funktionierende Wirtschaftstheorie besitzen. Im Gegensatz zur Physik ist da noch sehr viel im Unklaren. Im besten Fall haben wir Theorien, die in einer optimalen Welt einfach zusammenklappen in der Theorie, aber da die Welt nicht optimal ist, funktionieren diese halt in der Anwendung doch. Frei nach der Prämisse, bei vollkommener Information, dürfte der Markt nicht funktionieren, da aber niemand vollkommene Information hat, funktioniert der Markt halt doch. Es mutet merkwürdig an, dass dann genau jene Leute, die dann von Leistung sprechen und der Meinung sind, ihr Markthandeln als solches wäre bereits eine Leistung, einem etwas von der Finanzierbarkeit eines Grundeinkommens erzählen wollen. Viele von denen haben nicht verstanden, was sie dort treiben, und würden sie es verstehen, wären sie unter Umständen nicht mehr fähig dazu. Das ist aber im Prinzip nicht vorzuwerfen, denn nicht ein einziger Mensch auf dieser Welt kann die Welt vollkommen verstehen. Wir können nur gemeinsam ein Bild der Welt haben und müssen uns gegenseitig auch ein wenig vertrauen.

Harald Lesch meinte mal so schön „Na dann diskutieren sie mal mit einem Wirbelsturm.“ in einer Fernsehsendung über Grundlagen der Physik und das Verstehen der Naturgesetze und das Naturgesetze eben keine Gesetze in dem Kontext juristischer Texte sind. Doch soziale und gesellschaftliche Entwicklungen sind nicht minder schwer. Wäre die menschliche Gesellschaft von Vernunft und Aufklärung geprägt, dann dürfte es Leugner der Erderwärmung gar nicht geben und mit denen lässt sich im politischen Prozess genauso schlecht diskutieren wie mit einem Wirbelsturm. Da sind Fakten sinnlos. Wenn aber schon bei einem physikalisch wissenschaftlich abgeklärten Prozess wie dem Klima bei dem ich mich wenigstens auf Naturgesetze stützen könnte, um wieviel schwere ist es dann bei moralischen Prozessen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist nämlich eine Frage der Ethik. Hier hat man nicht die Stütze der Naturgesetze und der Messwerte auf die man sich wie bei der Physik berufen kann. Es mutet also an wie eine Glaubensfrage.

Ethik und Moral sind durch die Kirchen in Verruf geraten. Aber auch der Islam mit seinen religiösen Fanatikern trägt ja nicht gerade dazu bei, dass Ethik und Moral einen guten Stand hätten. Auf der anderen Seite sind die Deklaration der Menschenrechte auf dem Hintergrund der Gräuel des zweiten Weltkrieges entstanden. Selbst wenn wir heute auf dem besten Wege sind wieder alles über Bord zu werfen und die Tyrannen an die Macht zu lassen, sollte einem schon bewusst sein, dass es vernünftige Gründe gibt ein paar moralische Grundaussagen zu respektieren. Da wäre zum Beispiel ein Kind nicht an der Mutterbrust verhungern zu lassen und die menschliche Existenz als solches anzuerkennen. Das Leben jedes einzelnen Menschen anzuerkennen, als das was jeder Mensch zunächst ist. Der Mensch ist ein Wert an sich jeder einzelne von Geburt an. Kein Mensch lässt sich als solches auf Leistung reduzieren. Nach dem ersten Atemzug hat jeder Mensch ein Recht auf seine Existenz bis zu seinem natürlichen Ende. Dieses natürliche Ende darf aber nicht damit beginnen, dass man dem Menschen die Mutterbrust verweigert. Natürlich würde der Säugling dann verhungern, wenn er von seiner Mutter verstossen wird. Tiere tun sowas. Sind wir Tiere?

Diesen Gedanken kann jeder selbst zu Ende denken, was er in letzter Konsequenz bedeutet. Ein Zufluss an Leistungen wie die Muttermilch ist lediglich ein minimaler Grundkonsens, der die menschliche Existenz als solches anerkennt. Es ist eine moralische Entscheidung. Es ist ein minimaler Grundkonsens, der vernünftig ist, wenn die menschliche Existenz als solches einen Vernunftgrund hat. Allerdings gäbe es ohne den Menschen sowas wie Vernunft gar nicht. Ein Grundeinkommen setzt weder ein Strafgesetzbuch ausser Kraft noch regelt es unser Zusammenleben. Ein bedingungsloses Grundeinkommen setzt auch nicht die Bedingtheit der physikalischen Welt ausser Kraft.  Ebensowenig regelt ein bedingungsloses Grundeinkommen die Art und Weise wie wir wirtschaften. In radikaler Konsequenz ist ein bedingungsloses Grundeinkommen eine Verteilung der Weltwirtschaftsleistung, die jedem einzelnen Menschen aus dieser Gesamtleistung ein Minimum an Zufluss für die physikalische und seelische Existenz zubilligt. Weniger radikal ist die Ableitung davon dass die Volkswirtschaftsleistung in dieser Zubilligung entsprechend verteilt wird, dass der Zufluss für den Säugling und dessen Mutter zur Produktion der Muttermilch ausreichend ist und zwar eben ohne jegliche Bedingungen. Dieses prinzipielle Existenzrecht endet jetzt aber nicht damit, dass der Mensch erwachsen wird. Die Unterscheidung zwischen nützlichen und unnützen Menschen ist ethisch einfach abzulehnen. Es soll uns nicht daran hindern Mörder einzusperren, damit ein friedliches Zusammenleben möglich ist, aber auch der Mörder, obwohl er die Existenz eines anderen Menschen negiert hat, hat ein Existenzrecht. Jemand der unnützen Menschen, die Existenz verweigern will, verhält sich moralisch eigentlich nicht anders als ein Mörder. Auch Mörder hatten Gründe für ihren Mord, dennoch ist Mord niemals gerechtfertigt.

Wer also das Existenzrecht des Menschen als solches bejaht, kann eigentlich nicht anders als in letzter Konsequenz logisch ein bedingungsloses Grundeinkommen zu fordern, denn es ist die einzig logische Konsequenz, den Zufluss an Leistungen zum Erhalt des einzelnen menschlichen Lebens zu gewährleisten, wenn die Existenz des Menschen kein hohles Gewäsch sein soll.  Aber es ist auch klar, dass wir zwischen der hohen Moral und der Praxis manchmal zerbrechen. Was die Bundesrepublik Deutschland allerdings anbelangt, wäre es kein Problem der Praxis. Es ist mehr ein Problem des Verstehens, des Wollens und des Denkens. Rein physikalisch und auch wirtschaftlich wäre es in der Bundesrepublik Deutschland kein Problem. Hinderlich sind eher die Denkblockaden und die Vorurteile. Es sprengt die Vorstellungskraft der meisten meiner Mitbürger und ich gestehe mir ging es am Anfang auch nicht anders. Insbesondere das Wort bedingungslos hat mich gewurmt, da es eine bedingungslose Existenz nicht geben kann, aber es kann ein bedingungslosen Zufluss an Leistungen zur menschlichen Existenz geben.