Warum „80 % parken ihr Geld nur auf dem Konto“ ein Missverständnis ist
Wenn man über das Geld der Deutschen spricht, kommt schnell die Behauptung: „80 % legen ihr Geld nicht an, sondern parken es nur auf dem Konto.“
Das klingt so, als hätten acht von zehn Haushalten dicke Guthaben herumliegen, die sie nur „falsch“ nutzen.
Das Problem: So sieht die Realität nicht aus.
1. Vermögen ist nicht gleich flüssiges Geld
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Medianvermögen in Deutschland: ca. 106.000 €.
→ Das heißt: Die Hälfte der Haushalte hat weniger, die andere Hälfte mehr. -
8. Dezil: ca. 241.000 €.
→ Nur 20 % der Haushalte haben mehr.
Klingt nach viel Geld. Aber: Der größte Teil dieses Vermögens steckt in Immobilien – und oft in der selbstgenutzten Wohnung oder im Haus.
Das ist gebundenes Vermögen. Man kann es nicht einfach in Fonds oder ETFs umschichten.
2. Immobilienbesitz ist rechnerisch „reich“, praktisch aber belastend
Beispiel München:
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70 qm Wohnung = 750.000 €.
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Eigenkapital: 250.000 € (damit ist man schon oberhalb des 8. Dezils!).
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Restschuld: 500.000 €, die über Jahrzehnte mit Zins und Tilgung finanziert werden müssen.
Auf dem Papier ist man „vermögend“.
In der Realität hat man aber keine freie Liquidität mehr, um zusätzlich zu investieren.
3. Was bei Schicksalsschlägen passiert
Ein Urteil des Bundessozialgerichts hat gezeigt: Selbst wer ein Eigenheim im Wert von fast 1 Mio. € besitzt, muss es „aufessen“, bevor er Anspruch auf Sozialleistungen hat.
Das zeigt Besitz ist nicht gleich Sicherheit und Besitz ist auch nicht freies Investitionskapital. Das gilt übrigens auch für kleine Ladenbesitzer in Großstädten oder Gaststättenbesitzer oder Landwirte. Wenn der neue Stall nach den neuesten gesetzlichen Anforderungen Millionen kostet, dann ist der Grund und Boden auf dem Papier viel Wert, aber dem stehen Investitionen gegenüber die mit Bankkrediten finanziert sind, dass dann nur ein bescheidenes Vermögen übrig bleibt. Das Geld steckt im Betrieb und liegt nicht auf dem Konto.
4. Die Verteilungsfalle
Ein weiterer Denkfehler: Man schaut auf das gesamte Privatvermögen in Deutschland (mehrere Billionen Euro) und vergisst die Verteilung.
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Das oberste 1 % besitzt rund 35 % des Gesamtvermögens.
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Die unteren 50 % besitzen zusammen nur ca. 1–2 %.
Wenn also in Studien steht: „Deutsche halten 40 % ihres Geldes in Bargeld und Einlagen“, dann beschreibt das im Wesentlichen das Verhalten der oberen Schichten – nicht das der breiten Bevölkerung.
5. Das Geld auf den Konten
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Ja, ein Teil der Bevölkerung könnte mehr investieren, statt Geld auf Konten liegen zu lassen.
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Aber: Für die große Mehrheit gilt das nicht. Sie haben gar kein oder nur sehr begrenztes investierbares Kapital.
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Die eigentliche Trennlinie verläuft nicht zwischen „Investieren oder nicht investieren“, sondern zwischen „Liquidität vorhanden“ und „Liquidität fehlt“.
Oder anders gesagt:
Es ist nicht so, dass 80 % „falsch“ handeln.
Es ist so, dass 80 % kaum Spielraum haben.