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Welt im Hexenwahn

Alle hätten im Vorfeld Straftaten begangen.“ berichtet die Süddeutsche anlässlich einer Anfrage der Grünen an die bayerische Staatsregierung bezüglich des Freiheitsentzuges von elf Menschen. Das Ungeheuerliche daran ist, dass die Begründung so ist, als wenn sie geantwortet hätten „Alle hätten mit dem Teufel gebumst.“ und da ja der Teufel bekanntlich etwas böses ist, ist der Freiheitsentzug gerechtfertigt. Wenn es wahr ist, dass sie Straftaten verdächtig sind und eine Anklage möglich ist, dann braucht es den Gewahrsam nicht, da dann völlig konform zur europäischen Menschenrechtskonvention an unverzüglicher Bekanntgabe der Anklage eine Haft völlig legitim ist. Der Konjunktiv ohne Anklage ist aber nicht menschenrechtskonform. Ohne diese Anklage ist der Freiheitsentzug Unrecht.

Mit dem Teufel gebumst zu haben, gibt es im Strafrecht nicht und das wohl aus gutem Grund, denn das hatten wir schon mal im Rechtssystem und mündete in willkürlicher Hexenverfolgung. Ein Rechtsstaat wird nicht zu einem Rechtsstaat in dem er Richter und Gesetze hat. Das bloße Beschreiten eines Rechtsweg macht immer noch keinen Rechtsstaat.

Unser Rechtsstaat, der aufgrund der derzeit geltenden Gesetze eigentlich keiner mehr ist, hat sich Prinzipien gegeben. Der Konjunktiv ist bei der Anklage kein Prinzip des Rechtsstaat. Die Logik ist ja sehr einfach. Es gibt eine Anklage, dann ist der Freiheitsentzug möglich, obwohl die Schuld noch nicht festgestellt ist. Es gibt keine Anklage, dann ist der Mensch wieder in Freiheit zu entlassen, obwohl möglicherweise eine Schuld vermutet wird, aber wenn es nicht zu einer Anklage reicht, dann gilt das Menschenrecht.

Diejenigen, die hier laut bayerischer Staatsregierung unter Freiheitsentzug leiden, mögen Straftaten begangen haben, dann ist eine Anklage möglich und vielleicht werden sie auch freigesprochen. Diese Menschen ohne Anklage festzuhalten ist aber ein ganz klarer Verstoß gegen das Menschenrecht. Da mit dem Teufel gebumst zu haben in den Augen der CSU möglicherweise eine Straftat ist, aber nicht nach dem Strafrecht, kann die Aussage, die elf Personen hätten eine Straftat begangen, gleichwertig mit der Aussage, sie hätten mit dem Teufel gebumst.

Da Professoren das bayerische Polizeiaufgabengesetz für verfassungskonform halten, kann das nur bedeuten, dass wir uns schon längst im Mittelalter befinden. Es ist vollkommen unverständlich wie juristische ausgebildete Professoren zu einer solchen Annahme kommen können, es sei denn sie haben selbst schon mehr Glauben als Verstand.

Das Mittelalter mit der Hexenverfolgung kann nicht so vorgestellt werden, dass damals nur ungebildete Menschen ohne Verstand vorhanden gewesen wären. Der Glaube an den Teufel war nur stärker. Unsere Teufel mögen heute anders lauten.

Wenn Menschen solche Fehler begehen, obwohl sie hochintelligent sind und jeden Juraprofessor halte ich für über dem Durchschnitt intelligent, dann befinden wir uns in einem Glaubenssystem. Und zwar ganz offensichtlich in einem wahnhaften Glaubenssystem.

Die Frage ist, wie konnte es nur schon wieder soweit kommen. Zwischen 1946 bis 1948 haben sich auch Juristen und Diplomaten hingesetzt und versucht Grundlagen zu schaffen. Sicherlich war sich nicht alle einig und entsprechend schwer war es wohl auch. Die drei Richtungen, die entstanden sind, waren das Grundgesetz, die europäische Menschenrechtskonvention und die Deklaration der Menschenrechte.

Alle drei sind aus der Vorgeschichte des historischen Hintergrunds zu denken. Die Bürgerrechte der französischen Revolution existierten auch vor dem dritten Reich. Es ist ja auch nicht so, dass vom Haager Landkriegsrecht bis zu vielen anderen historischen internationalen Vereinbarungen, gewisse Menschenrechtsverletzungen nicht schon immer ausgeschlossen waren. Die Schrecken des ersten aber insbesondere des zweiten Weltkrieges sollten also durch ein neues internationales und nationales Rechtssystem verhindert werden.

Diese drei grundlegenden Texte einer neuen Weltordnung beziehungsweise einer deutschen Ordnung unterscheiden sich. Das Grundgesetz stellte als erstes Prinzip die Würde des Menschen in den Vordergrund. Angesichts der Grauen, die einem Menschen nach seinem Tode widerfahren konnte, indem seine Asche auf Aschenbahnen gestreut wurde oder seine Haut zu Lampenschirmen verarbeitet wurde, sollte die Würde des Menschen der neue Grundpfeiler sein.

Die Grundlage der Deklaration der Menschenrechte ist Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden. Auch die Deklaration erkennt die Würde des Menschen an. Das Bürgerrecht wird damit zum Menschenrecht.

Die 1950 verabschiedete Kon­ven­tion zum Schutze der Men­schen­rechte und Grund­frei­heiten nimmt einerseits Bezug auf die schon existierende Deklaration der Menschenrechte und erweitert diese um die Grundfreiheiten.

Diese drei Texte sind aber wertlos, wenn sie einfach ignoriert werden. Würde und Freiheit eines jeden einzelnen Menschen müssen gewahrt werden. Es ist der Schutz vor willkürlicher Hexenverfolgung. Das grundlegende Prinzip, dass die Freiheit eines Menschen nur rechtmässig entzogen werden kann, setzt Recht.

Klar ist, dass die Verurteilung den Freiheitsentzug gestattet. Verurteilung beinhaltet hier aber ganz klar die Regeln eines gerechten Verfahrens. Ein Konjunktiv mit „hätten eine Straftat“ begangen ist keine Verurteilung. Dieser Konjunktiv ist allenfalls eine Anklage.

In der EMRK gibt es Ausnahmen des Freiheitsentzuges ohne Urteil oder Verfahren, die Kranke, Landstreicher und Minderjährige betreffen. Die andere Ausnahme ist die illegale Einreise oder, und da sind wir aber wieder bei einem ordentlichen Verfahren wenn auch nicht im Inland sondern im Ausland, des Auslieferungsverfahren.

Unabhängig davon ist den Menschen, deren Freiheit entzogen wird “ unverzüglich in ein­er ihr verständ­lichen Sprache mit­geteilt wer­den, welch­es die Gründe für ihre Fes­t­nahme sind und welche Beschuldigun­gen gegen sie erhoben wer­den.“

Ein Polizeiaufgabengesetz betreibt nun nichts juristisches, sondern beschreibt die Aufgaben einer Polizei in diesem System. Ist die Herstellung von Sicherheit oder die Ermittlungsarbeit beendet, dann beginnt das Rechtssystem. Ein Unrechtssystem oder Polizeistaat entsteht dann, wenn plötzlich die Polizei den Freiheitsentzug ohne Rechtssystem in der eigenen Hand hat.

Die Beschuldigung die unverzüglich mitzuteilen ist, ist unter Umständen auch der Grund für einen längeren Freiheitsentzug. Bei Mord ist dieser Freiheitsentzug unter Umständen lebenslang ab diesem Moment, aber das gilt ab dem Moment der Verurteilung und somit ist die Anklage notwendig. Damit geht der Freiheitsentzug in das ordentliche Verfahren über. „Hätten eine Straftat“ begangen ist nichts von dem.

Auch die illegale Einreise ist ein ausserhalb des Polizeiaufgabengesetzes, um die Illegalität festzustellen, bedarf es auch hier eines ordentlichen Verfahrens. Es gibt also auch da keinen Grund die Gewahrsamnahme innerhalb des Polizeiaufgabengesetzes zu halten.

Der einzige Grund sowas in das Polizeiaufgabengesetz zu schreiben ist das Rechtssystem zu unterlaufen. Die Polizei wird mit Hilfe von Richtern zum Vollzug ohne Verfahren ermächtigt.

Genau das hat man auch gemacht als die Hexenprozesse stattfanden. Eigentlich hatten die Formulierer der Menschenrechte, der Grundrechte und der Konvention gehofft, mit den neuen Texten genau das zu verhindern.

Es nützt offensichtlich nichts. Wenn Menschen die Menschenrechte verletzen wollen, tun sie das trotzdem.