München, April 2029 – Die Stadt ist in Aufruhr. Überall im Netz wird diskutiert, auf Instagram und TikTok kochen die Emotionen hoch. Im Zentrum des Sturms steht die junge Künstlerin Elara, geboren 2006, eine aufstrebende Pop- und Elektro-Sängerin. Sie hat eine ganze Generation von jungen Fans hinter sich, die ihre Botschaften von Toleranz, Diversität und Körperpositivität feiern. Doch die Stadt sieht das anders.
Elara sollte in den kommenden Wochen fünf Konzerte im Deutschen Theater geben, um ihr neues Album vorzustellen. Die Plakate sind längst gedruckt, die Tickets ausverkauft. Doch in den sozialen Medien formiert sich Widerstand. Konservative und religiöse Gruppen beschweren sich über Elaras provokante Outfits und die „queeren und genderfluiden Botschaften“ in ihrer Musik.
Ein Sprecher der „Vaterländischen Verbände der bürgerlichen Mitte“ erklärt auf X (ehemals Twitter): „Die Texte und die Bühnenshow dieser Frau sind eine Verletzung des öffentlichen Anstandes. Wir werden nicht zulassen, dass unsere Stadt mit solchen fragwürdigen Ideologien überflutet wird.“
Tatsächlich reagiert die Stadtregierung prompt. Die Münchner Sicherheitsbehörden erteilen kurz vor dem geplanten Konzert das Auftrittsverbot. Die offizielle Begründung lautet: „Aufgrund des zu erwartenden Inhalts der Performance ist eine Verletzung des öffentlichen Anstandes und damit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung zu erwarten.“
Das Medien-Echo ist gespalten. Während rechte Portale das Verbot als „Sieg für die Moral“ feiern, empören sich liberale Zeitungen über „München als die dümmste Stadt Deutschlands“. Die Berliner Medien spotten über das, was sie als den „neuen Bauern-Athen“ bezeichnen. Elaras Agentin protestiert vehement, aber ohne Erfolg.
Für die Doofen
Der Fall der jungen Sängerin Elara im Jahr 2029 ist eine beinahe wortwörtliche Wiederholung eines Skandals aus der Weimarer Republik. Im Jahr 1929 erteilte die Münchner Polizeidirektion der berühmten Künstlerin Josephine Baker ein Auftrittsverbot. Grund: „eine Verletzung des öffentlichen Anstandes und damit der öffentlichen Ordnung“.
Baker, damals 23 Jahre alt, war in den 1920er Jahren als schwarze Tänzerin mit provokanten Kostümen und ihrer unkonventionellen Bühnenshow in ganz Europa ein Star. Auch sie sollte im Deutschen Theater auftreten. Doch die Stadt, die damals unter dem Einfluss von völkischen Gruppen und der gerade erstarkenden NSDAP stand, verbot die Auftritte. Die internationale Presse machte sich über München lustig und nannte es „Bauern-Athen“, genau wie heute in der Geschichte über Elara. Die Argumente gegen Josephine Baker waren eine Mischung aus Rassismus, Puritanismus und kulturkonservativer Angst vor dem Neuen – exakt die gleichen Argumente, die man heute wieder in der Geschichte findet.