Reich ist nicht gleich reich – Leben vom Kapital

Leben vom Kapital: Privileg oder verdienter Lohn?

Eine Replik auf die Kritik am „3 Millionen Millionäre“-Post

1. „Vermögen ist nicht gleich Luxus“

Das Argument: Viele Millionäre seien „nur“ Hausbesitzer in München oder Hamburg und hätten kaum Cashflow.

Antwort:
Natürlich ist ein abbezahltes Haus in München auf dem Papier ein Millionärsstatus – aber genau das ist ja das Problem: Wer einmal so viel Vermögen besitzt, ist strukturell in einer völlig anderen Position als jemand ohne Eigentum. Selbst wenn die Immobilie nicht „liquide“ ist, bedeutet sie massive finanzielle Sicherheit: keine Miete, Sicherheit im Alter, Vererbung an die nächste Generation. Für die große Mehrheit der Bevölkerung ist genau das unerreichbar. Millionär sein heißt nicht automatisch Luxus, aber es heißt immer Sicherheits- und Machtvorsprung.


2. „Kapitalerträge sind kein Geschenk, sondern Risiko“

Das Argument: Wer investiert, trägt Risiken, und das Geld musste zuvor erarbeitet und gespart werden.

Antwort:
Das stimmt formal – aber es blendet zwei Dinge aus:

  1. Risikostruktur: Das Risiko für Vermögende ist relativ gering. Wer 1 Mio. besitzt, kann Verluste verkraften, weil die Grundbedürfnisse längst gedeckt sind. Wer dagegen kein Vermögen hat, riskiert mit jedem Euro alles. Risiko ist also nicht absolut, sondern sozial ungleich verteilt.

  2. Ererbtes Kapital: Ein erheblicher Teil der Millionäre hat das Vermögen nicht selbst „erarbeitet“, sondern geerbt. Hier gibt es keine eigene Leistung, sondern pures Startkapital.

Kapitalerträge sind daher nicht nur „Belohnung für vergangene Arbeit“, sondern in vielen Fällen Belohnung für Kapitalbesitz an sich – und genau das ist der Kern der Kritik.


3. „Unrealistische Durchschnittsrechnung“

Das Argument: Nicht jeder Millionär hat 1 Mio. Cash, Zinsen schwanken, und Inflation frisst Erträge auf.

Antwort:
Richtig ist: Durchschnittszahlen sind Vereinfachungen. Aber sie sind nützlich, um Dimensionen sichtbar zu machen. Ob es nun 22 Mrd. € oder „nur“ 15 Mrd. € sind, spielt für die gesellschaftliche Debatte wenig Rolle – es bleibt ein gigantischer Kapitalfluss, der jährlich ohne Arbeit entsteht.
Und: Auch wenn Zinsen niedrig waren, flossen Dividenden und Mieteinnahmen weiterhin zuverlässig. Vermögen findet immer Wege, Erträge zu generieren. Wer nichts hat, bleibt dagegen komplett außen vor.


4. „Leistungsgesellschaft nicht ignorieren“

Das Argument: Viele Millionäre haben hart gearbeitet oder Unternehmen aufgebaut.

Antwort:
Unbestritten: Es gibt Unternehmer-Millionäre, die viel leisten. Aber das ändert nichts am Mechanismus: Ab einem gewissen Punkt arbeitet das Kapital für dich. Wer Vermögen hat, steigert sein Einkommen selbst ohne neue Leistung – ein Effekt, der die Ungleichheit massiv verstärkt.
Die berühmte Formel von Thomas Piketty bringt es auf den Punkt: r > g (Kapitalrendite ist höher als Wirtschaftswachstum). Das heißt: Vermögen wächst schneller als Löhne. Leistungsgesellschaft hört dort auf, wo Kapitalerträge wichtiger werden als Arbeitseinkommen.


5. „Investiertes Kapital schafft Arbeitsplätze“

Das Argument: Kapitalerträge sind nicht nur Privatprofit, sondern finanzieren auch Unternehmen, Start-ups und Arbeitsplätze.

Antwort:
Ja, Investitionen sind wichtig. Aber:

  • Nicht jede Dividende „schafft Arbeitsplätze“ – viele Gewinne werden ausgeschüttet, statt reinvestiert.

  • Immobilieninvestitionen führen oft nicht zu mehr Wohnraum, sondern zu steigenden Mieten.

  • Kapitalflucht-Argumente sind real, aber auch politisch steuerbar. Andere Länder (z. B. Frankreich oder die USA) zeigen, dass man Vermögende durchaus stärker belasten kann, ohne dass die Wirtschaft kollabiert.

Die zentrale Frage bleibt: Wer profitiert systematisch von dieser Vermögensordnung – und wer zahlt die Rechnung?


Fazit

Die Gegenargumente klingen vernünftig, verschleiern aber die strukturelle Wahrheit:

  • Vermögen bringt Einkommen, auch ohne Arbeit.

  • Dieser Mechanismus verstärkt soziale Ungleichheit.

  • Sicherheit und Chancen hängen maßgeblich vom Startkapital ab, nicht nur von „harte Arbeit“.

  • Millionen Menschen haben keine Chance, ins Spiel der Kapitalrenditen einzusteigen – während eine Millionärsschicht jedes Jahr Milliarden kassiert, ohne dafür täglich zu schuften.

Das ist kein „Neidargument“, sondern eine nüchterne Feststellung: In Deutschland existiert eine Klasse, die fast automatisch von Kapital lebt, während die Mehrheit weiter arbeiten muss, um über die Runden zu kommen. Genau das sichtbar zu machen, war der Sinn des ursprünglichen Posts.

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