Reich ist nicht gleich reich – warum der Schweizer Milliardär mehr ins System einzahlt als der deutsche Spitzenverdiener
In deutschen Debatten heißt es oft: „Wenn wir die Steuern für Reiche erhöhen, wandern sie in die Schweiz aus.“ Klingt plausibel – aber wer genauer hinsieht, erkennt: Das Schweizer System zwingt gerade auch sehr Reiche dazu, überproportional beizutragen.
1. Die Schweizer Besonderheit: Keine Beitragsbemessungsgrenze
In Deutschland zahlen Beschäftigte in die Sozialversicherung (Rente, Kranken-, Pflege-, Arbeitslosenversicherung) nur bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe Beiträge – die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze. Alles darüber bleibt beitragsfrei.
Beispiel: Ein Manager mit 500.000 € Einkommen zahlt Sozialbeiträge nur bis ca. 87.600 € (Rentenversicherung West, 2024). Auf die restlichen 412.400 € zahlt er nichts mehr.
In der Schweiz sieht das anders aus:
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AHV/IV (Alters- und Invalidenversicherung): 5,3 % AHV + 1,4 % IV = 6,7 % Pflichtbeitrag – ohne Obergrenze.
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Verdient jemand 5 Mio. CHF im Jahr, zahlt er auf alle 5 Mio. CHF diese Abgaben.
Folge: Schweizer Milliardäre mit hohem Erwerbseinkommen pumpen jedes Jahr Millionen in die Sozialkassen, bekommen aber maximal eine gedeckelte Rente zurück.
2. Arbeitslosenversicherung (ALV) und BVG
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Bei der Arbeitslosenversicherung gibt es zwar eine Grenze (148.200 CHF Lohn, Stand 2024). Doch das ist immer noch höher angesetzt als in Deutschland.
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Bei der beruflichen Vorsorge (BVG, „2. Säule“) gilt ein Pflichtbereich bis 88.200 CHF. Darüber hinaus können freiwillig überobligatorische Beiträge geleistet werden – was bei Gutverdienern üblich ist.
Auch hier zeigt sich: Das System erlaubt mehr Leistungsgerechtigkeit, ohne dass die Basis-Solidarität aufgegeben wird.
3. Krankenversicherung – gleiche Prämie für alle
Während in Deutschland die Beiträge einkommensabhängig sind, zahlt in der Schweiz jeder eine fixe Krankenkassenprämie – egal ob Verkäuferin oder Milliardär.
Das klingt unsozial, wird aber durch Prämienverbilligungen für Geringverdiener abgefedert. So entsteht erneut ein Mischsystem: solidarisch am unteren Ende, gleichmachend am oberen Ende.
4. Der entscheidende Unterschied
Das Schweizer System zwingt Topverdiener in die Umlagekassen hinein. Ihre extrem hohen Löhne werden nicht „gedeckelt“, sondern voll verbeitragt.
In Deutschland dagegen ist es genau andersherum: Wer über die Bemessungsgrenze hinaus verdient, ist privilegiert, weil ab diesem Punkt keine weiteren Sozialabgaben anfallen.
Schweiz kein Reichenparadies
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Deutschland: Beitragsbemessungsgrenzen schützen Spitzenverdiener und entlasten große Einkommen.
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Schweiz: Keine Obergrenze bei AHV/IV – wer Millionen verdient, zahlt Millionen ein, bekommt aber nur die gleiche Maximalrente wie ein Durchschnittsverdiener.
Wer also behauptet, dass die Schweiz ein Steuerparadies sei, in das alle Reichen fliehen, übersieht die Realität: Der Schweizer Milliardär trägt netto mehr ins Sozialsystem bei als sein deutscher Kollege.
Reich ist eben nicht gleich reich – es hängt stark vom System ab, in dem man lebt.