Reich ist nicht gleich reich – Zinsen

Warum Inflation und 1 % Verzinsung für Vermögende kaum eine Rolle spielen

Immer wieder hört man in Debatten über Geldanlage und Wohlstand den Vorwurf: „Was bringt mir ein Prozent Zinsen, wenn die Inflation bei drei oder vier Prozent liegt? Ich werde ja real ärmer.“ Auf den ersten Blick ist diese Klage nachvollziehbar. Wer sein Erspartes ausschließlich auf dem Sparkonto oder in niedrig verzinsten Anleihen liegen hat, sieht die Kaufkraft tatsächlich schwinden, wenn die Teuerung schneller steigt als die Guthabenverzinsung. Doch dieser Gedankengang übersieht einen entscheidenden Punkt: Ab einer bestimmten Größenordnung von Reichtum spielt dieses Argument schlicht keine Rolle mehr. Denn die Vermögensstruktur der wirklich Wohlhabenden unterscheidet sich grundlegend vom „reichen Sparer“.

1. Inflation trifft vor allem Geldvermögen

Inflation ist nichts anderes als ein schleichender Wertverlust des Geldes. Wer 100.000 Euro auf dem Konto liegen hat, kann sich bei drei Prozent Teuerung nach einem Jahr für diese Summe nur noch Waren im Wert von 97.000 Euro leisten. Ohne Ausgleich über höhere Zinsen oder steigende Löhne nimmt die Kaufkraft ab. Dieses Problem betrifft vor allem Menschen, deren Vermögen in Nominalwerten angelegt ist: Sparbücher, Tagesgeld, Festgeld oder Staatsanleihen. Hier frisst die Inflation ungebremst.

2. Reiche besitzen selten nur Geld

Wer aber ein zweistelliges Millionen- oder gar Milliardenvermögen hat, denkt nicht in Sparbüchern oder Tagesgeldkonten. Diese spielen allenfalls für die kurzfristige Liquidität eine Rolle. Das eigentliche Vermögen liegt in Sachwerten: Grundstücke, Immobilien, Wälder, Beteiligungen an Unternehmen, Patente, Kunstwerke, Aktienpakete. Diese Werte sind nicht direkt von der heimischen Inflation bedroht, weil sie realwirtschaftliche Substanz verkörpern.

Eine Ranch in Argentinien bleibt eine Ranch, ganz gleich, ob die Inflationsrate dort zehn oder fünfzig Prozent beträgt. Das Land verliert nicht über Nacht seine Nutzbarkeit. Rinder wachsen, egal wie die Preise sich entwickeln. Wenn das Fleisch anschließend nach Europa exportiert und in Euro verkauft wird, ist die argentinische Inflation weitgehend irrelevant.

3. Globale Diversifikation macht unabhängig

Superreiche sind international aufgestellt. Sie besitzen nicht nur Immobilien in einem Land, sondern verteilt über mehrere Kontinente. Sie halten Beteiligungen an Aktiengesellschaften in den USA, Asien oder Europa. Manche besitzen ganze Wälder in Deutschland, deren Wert an der Knappheit von Holz und an der ökologischen Nachfrage hängt, nicht am Verbraucherpreisindex.

Die Folge: Ein Inflationsschock in einem Land kann durch Gewinne in einem anderen Land ausgeglichen werden. Wer in Argentinien eine Ranch, in Deutschland Forstflächen und in Delaware eine Aktiengesellschaft hält, kann sich von nationalen Inflationsraten weitgehend entkoppeln.

4. Einkommen aus Kapital statt Zinsen

Während der „reiche Sparer“ auf Zinsen hofft, lebt der Vermögende von Kapitalerträgen. Das sind Dividenden, Pachtzahlungen, Verkaufserlöse, Beteiligungsgewinne. Diese fließen unabhängig davon, ob die Bank gerade 1 % oder 4 % Zinsen anbietet. Ein Apartmenthaus wirft Mieten ab, egal, wie hoch die Inflation ist. Eine Unternehmensbeteiligung liefert Dividenden, wenn das Unternehmen erfolgreich wirtschaftet.

Natürlich wirken sich Preissteigerungen auch auf Sachwerte aus – aber eben anders. Wenn die Inflation hoch ist, steigen in der Regel auch die Preise für Immobilien, Rohstoffe und Aktien, weil diese als Inflationsschutz gelten. Wer also Besitz in diesen Bereichen hat, profitiert sogar von Teuerungsphasen.

5. Der Unterschied zwischen „reich“ und „superreich“

Für den Mittelstandssparer mit 100.000 Euro ist Inflation eine reale Gefahr, weil sein Vermögen in Geldwerten liegt. Für den Multimillionär oder Milliardär ist die Inflationsrate in Deutschland dagegen fast bedeutungslos. Sein Vermögen arbeitet global, in verschiedenen Märkten und Branchen. Er verliert nicht an Kaufkraft, weil sein Besitz nicht in Zahlen auf einem Konto liegt, sondern in funktionierenden Strukturen der Realwirtschaft.

Man könnte es so beschreiben:

  • Der reiche Sparer hat einen Eimer mit Wasser, aus dem die Inflation ständig Tropfen entweichen lässt.

  • Der superreiche Unternehmer hat ein ganzes Flusssystem. Wenn in einem Bach das Wasser weniger wird, fließt es aus einem anderen stärker.

6. Historische und aktuelle Beispiele

Man denke an die großen Unternehmerfamilien. Ob die Inflation in Deutschland bei zwei oder bei fünf Prozent liegt, spielt für sie eine untergeordnete Rolle. Ihr Vermögen liegt in Industriebeteiligungen, in Aktiengesellschaften, in Stiftungen. Ein Chemiekonzern, ein Automobilhersteller oder ein Medienunternehmen erwirtschaftet weltweit Umsätze – die nationale Inflationsrate ist nur ein Faktor von vielen.

Oder man schaut auf die großen Landbesitzer in Südamerika. Selbst bei Hyperinflation bleibt der Wert ihres Landes erhalten, ja er steigt oft sogar, weil ausländische Investoren Flächen kaufen oder Pachtverträge in Dollar abgeschlossen werden.

7. Inflation als Argument ist sozial verzerrt

Wenn also jemand sagt: „Mit einem Prozent Zinsen werde ich arm, weil die Inflation alles auffrisst“, dann beschreibt er die Lage eines Sparers oder Kleinanlegers, nicht die Situation eines Superreichen. Für letzteren ist es irrelevant, ob ein Sparbuch schrumpft, weil er ohnehin kaum eines besitzt. Sein Vermögen funktioniert nach ganz anderen Regeln.

Und genau das zeigt: Reich ist nicht gleich reich.
Wer in Geldwerten denkt, verliert bei Inflation.
Wer in Sachwerten und globalen Strukturen denkt, ist weitgehend unabhängig von Inflation.

8. Fazit

Das Argument „1 % Verzinsung macht mich arm“ taugt nur, solange man Reichtum mit einem Bankguthaben verwechselt. Jenseits einer bestimmten Schwelle ist Vermögen keine Zahl mehr auf dem Konto, sondern ein Netz aus Besitz, Beteiligungen und Ressourcen. Und dieses Netz reagiert ganz anders auf wirtschaftliche Schwankungen. Für die wirklich Reichen ist Inflation daher weniger Bedrohung als vielmehr eine Rahmenbedingung, die man mit der richtigen Strukturierung elegant umgeht.


 

 

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert