Wenn in Deutschland von Reichtum die Rede ist, bleibt meist unsichtbar, dass auch dieser Reichtum ungleich verteilt ist – nicht nur zwischen oben und unten, sondern auch zwischen Männern und Frauen. Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), von Oxfam und anderen Organisationen zeigen: Über 70 Prozent der großen Vermögen befinden sich in Männerhand. Das bedeutet, dass Geld und Macht auch im Bereich des Reichtums geschlechtlich ungleich verteilt sind – und damit diskriminierend wirken wie andere Formen sozialer Ungleichheit.
Zahlen, die für sich sprechen
Eine aktuelle Untersuchung von Oxfam und dem Netzwerk Steuergerechtigkeit (2025) hat die größten Vermögen in Deutschland unter die Lupe genommen: 71 Prozent der Milliardenvermögen gehören Männern, nur 29 Prozent Frauen. Zum Vergleich: Bei der Gesamtheit aller Vermögen in Deutschland liegt der Frauenanteil immerhin bei rund 43 Prozent. Je größer also der Reichtum, desto männlicher wird er.
Das DIW hat bereits in einer Sonderstichprobe des Sozio-oekonomischen Panels gezeigt: Unter den „klassischen“ Millionärinnen und Millionären liegt der Frauenanteil bei etwa einem Drittel. Schon hier spiegelt sich also eine deutliche Schieflage. Und auch wenn Renten- und Pensionsansprüche einbezogen werden, bleibt die sogenannte „Gender Wealth Gap“ bestehen: Frauen besitzen im Schnitt 28 bis 35 Prozent weniger Vermögen als Männer.
Wie Reichtum gemacht – und verteilt – wird
Die Ursachen sind vielfältig, aber sie folgen einem klaren Muster: Vermögen ist nicht geschlechtsneutral, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Rollenbilder, institutioneller Rahmenbedingungen und historischer Strukturen.
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Erbschaften und Schenkungen: Frauen erben seltener große Vermögen und insbesondere Unternehmensanteile. Wenn sie erben, sind es häufig Immobilien oder Geldvermögen, die steuerlich weniger privilegiert sind. Männer profitieren stärker von großzügigen Steuervergünstigungen bei Betriebsvermögen.
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Erwerbsbiografien: Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit, unterbrechen ihre Karriere für Kinderbetreuung oder Pflege und haben geringere Aufstiegschancen in Führungspositionen. Das mindert nicht nur Einkommen, sondern auch Spar- und Investitionsmöglichkeiten.
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Vermögensarten: Männer halten überproportional häufig Beteiligungen an Unternehmen und Aktienpaketen, die stärker im Wert steigen und steuerlich begünstigt sind. Frauen sind häufiger auf klassische Sparformen angewiesen, die geringere Renditen erzielen.
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Macht und Einfluss: Reichtum bedeutet nicht nur finanziellen Spielraum, sondern auch gesellschaftliche Gestaltungsmacht. Wer große Vermögen kontrolliert, sitzt in Aufsichtsräten, finanziert Stiftungen oder beeinflusst Politik. Dass diese Positionen überwiegend von Männern besetzt sind, verstärkt deren ohnehin größere Präsenz im öffentlichen Raum.
Reichtum als Spiegel gesellschaftlicher Ungleichheit
Dass Vermögen männlich dominiert ist, ist kein Zufall, sondern die logische Folge bestehender Diskriminierungen. Ungleiche Bezahlung, unsichere Arbeitsverhältnisse, der Gender Pay Gap und die ungleiche Verteilung unbezahlter Sorgearbeit setzen sich im Vermögen fort. Wer weniger verdient, kann weniger sparen und weniger investieren. Wer häufiger Erwerbsunterbrechungen erlebt, verpasst Rendite- und Karrieremöglichkeiten.
Dazu kommen steuerpolitische Rahmenbedingungen, die männlich dominierte Vermögensarten wie Unternehmensbeteiligungen privilegieren. So verstärkt der Staat unbewusst bestehende Ungleichheiten, statt sie abzubauen.
Reichtum ist damit kein neutraler Indikator für wirtschaftlichen Erfolg, sondern ein hochpolitisches Feld – und eines, das Frauen strukturell benachteiligt.
Was das bedeutet
Die feministische Analyse des Reichtums zeigt: Selbst an der Spitze der Vermögenspyramide, dort, wo es scheinbar nur Gewinner gibt, sind Frauen im Nachteil. Reichtum ist nicht nur ungleich zwischen Klassen verteilt, sondern auch innerhalb der reichen Elite – entlang der Geschlechtergrenzen.
Diese Ungleichheit hat Folgen: Weniger Vermögen bedeutet für Frauen nicht nur geringere ökonomische Sicherheit, sondern auch weniger Einfluss in Wirtschaft und Politik. Wer von milliardenschweren Erbschaften ausgeschlossen bleibt, wird auch bei der Gestaltung gesellschaftlicher Regeln nicht mitreden können.
Was sich ändern müsste
Aus feministischer Sicht ist klar: Wenn Gleichstellung ernst genommen wird, darf sie nicht beim Einkommen enden, sondern muss auch das Vermögen umfassen. Dazu gehören:
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eine gerechtere Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen,
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die Abschaffung von Ausnahmeregelungen, die männlich dominierte Vermögensarten begünstigen,
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der Ausbau von Strukturen, die Frauen den Zugang zu Kapital, Unternehmensgründungen und Investitionen erleichtern,
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und nicht zuletzt die faire Verteilung unbezahlter Sorgearbeit, die heute noch ein Hauptgrund für die Vermögenslücke ist.
Leistung oder Geschlecht?
„Reich ist nicht gleich“ – das zeigt sich in Deutschland besonders deutlich. Über 70 Prozent der größten Vermögen gehören Männern. Damit ist Reichtum selbst ein Feld, in dem gesellschaftliche Diskriminierungen fortgeschrieben werden. Wer von Gleichstellung spricht, darf also nicht nur auf Löhne oder Quoten schauen, sondern muss auch die Frage stellen, wem eigentlich der Reichtum gehört – und warum.